Bei Arbeitnehmern richtet sich die Höhe der abzuführenden Lohnsteuer nach der individuellen Steuerklasse. Sofern beide Ehegatten berufstätig sind, können entweder beide die Steuerklasse IV wählen oder eine Verteilung in die Steuerklassen III und V. Dabei ist die Steuerklasse III die wesentlich günstigere Wahl, da hier weniger Lohnsteuer einbehalten wird. In der Regel wird man die Variante III/V wählen, wenn ein Ehepartner wesentlich mehr verdient. Verdienen beide in etwa gleich, kommt hingegen IV/IV in Betracht.
Wird nun der Lohn eines Ehegatten von einem Gläubiger gepfändet, oder befindet er sich im Insolvenzverfahren, so richtet sich die Höhe des pfändbaren oder abzuführenden Betrags nach seinem Nettolohn. Also läge für ihn grundsätzlich die Wahl der ungünstigeren Steuerklasse V nahe, weil dadurch der Nettolohn und damit auch der pfändbare Betrag vermindert werden. Den Gläubigern würden eigentlich pfändbare Beträge auf Dauer entzogen. Auf der anderen Seite würde der Ehegatte von der Steuerklasse III profitieren.
In der Einzelzwangsvollstreckung hat der BGH dieses Vorgehen in den Fällen für rechtswidrig erklärt, in denen die Wahl der ungünstigen Steuerklasse ohne sachlichen Grund erfolgt, BGH v. 04.10.2005 – VII ZB 26/05. Unter Verweis auf § 850h ZPO vertritt der BGH die Auffassung, der Schuldner sei “so zu behandeln, als sei sein Arbeitseinkommen gemäß der günstigeren Steuerklasse, hier also Steuerklasse IV, zu versteuern”.
Im Insolvenzverfahren dürfte sich das Problem eigentlich gar nicht stellen, weil das Steuerklassenwahlrecht hier dem Insolvenzverwalter zustehen müßte, auch gegen den Willen des Ehegatten.
Die Rechtsprechung geht einen anderen Weg und behandelt das Thema im Hinblick auf die Erwerbsobliegenheiten des Schuldners. Im eröffneten Verfahren bestehen diese aber nur, wenn Verfahrenskostenstundung beantragt wurde. Der BGH geht davon aus, dass der Schuldner seinen Erwerbsobliegenheiten nur nachkommt, wenn er die die Gläubiger ohne sachlichen Grund durch die Wahl der Steuerklasse benachteiligt, vgl. BGH v. 03.07.2008 – IX ZB 65/07. Nach dieser Rechtsprechung hat der Schuldner entweder im Rahmen seiner Erwerbsobliegenheiten die Steuerklasse IV zu wählen, oder die pfändbaren Beträge sind analog § 850h ZPO auf Basis der Steuerklasse IV zu berechnen. Weigert sich der Schuldner dann, diese Beträge abzuführen, so kann die Verfahrenskostenstundung gem. § 4c Nr. 5 InsO aufgehoben werden.
In der Wohlverhaltensperiode gelten die Erwerbsobliegenheiten unbeschränkt. Ein Verstoß dagegen kann zur Versagung der Restschuldbefreiung führen. Dies gilt auch für die Wahl einer ungünstigen Steuerklasse ohne wichtigen Grund, BGH v. 05.03.2009 – IX ZB 2/07.
Wie erläutert treten diese Folgen aber nur ein, wenn die ungünstige Steuerklasse ohne wichtigen Grund gewählt wird. Liegt ein solcher wichtiger Grund vor, so kann der Schuldner ohne nachteilige Folgen die Steuerklasse V wählen. Ein solcher Grund ist z.B., dass der nicht insolvente Ehegatte wesentlich mehr verdient und daher durch die Wahl der Steuerklassen V und III der lfd. Lohnsteuerabzug am ehesten der tatsächlich zu zahlenden Jahressteuer entspricht, vgl. LG Dortmund, 23.03.2010, 9 T 106/10. Das Urteil bezieht sich auf einen Beschluss des BGH v. 04.10.2005 (Az. VII ZB 26/05). In diesem Beschluss nimmt der BGH jedoch nicht zu der Frage Stellung, wann genau ein sachlicher Grund vorliegt. Insofern ist noch offen, ob das Urteil des LG Dortmund auch von anderen Gerichten bestätigt wird.
Sofern ein Schuldner also sicher gehen will, empfiehlt es sich, freiwillig Zahlungen zu leisten, die dem pfändbaren Betrag nach der günstigeren Steuerklasse entsprechen. Damit wird eine Gläubigerbenachteiligung (und damit ein Versagungsgrund) auf jeden Fall ausgeschlossen.