Nach Insolvenzeröffnung kann das Finanzamt gegen Steuererstattungsansprüche mit Insolvenzforderungen nur unter bestimmten Umständen aufrechnen.
Voraussetzung ist, dass sowohl die Forderung des Finanzamtes als auch der Erstattungsanspruch vor Insolvenzeröffnung begründet waren.
Die Aufrechnung ist möglich, wenn bereits vor Insolvenzeröffnung eine Aufrechnungslage bestand, die Aufrechnung aber noch nicht erklärt wurde. Insoweit wird die Aufrechnungsmöglichkeit des Finanzamtes durch § 94 InsO geschützt.
Fallbeispiel:
Das Finanzamt hat gegen A eine am 01.05.2011 fällige Umsatzsteuerforderung für 2010 in Höhe von 3.000 €. Am 05.05.2011 ergeht ein Einkommensteuerbescheid für 2010 mit einer Erstattung i.H.v. 3.500 €. Am 25.05.2011 wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen von A eröffnet.
Das Finanzamt kann auch nach der Insolvenzeröffnung aufrechnen. Diese ist gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erklären. Den übersteigenden Betrag i.H.v. 500 € muß das Finanzamt an den Insolvenzverwalter auszahlen.
Eine Aufrechnung ist auch dann noch möglich, wenn die Aufrechnungslage erst im Insolvenzverfahren eintritt. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Gegenforderung des Finanzamtes erst nach Insolvenzeröffnung fällig wird. Im obigen Beispiel wäre das der Fall, wenn die Insolvenzeröffnung z.B. bereits am 30.04.2011 stattgefunden hätte.
Hier gibt es jedoch eine Einschränkung: Wird die Hauptforderung des Schuldners unbedingt und fällig, bevor die die Aufrechnung erfolgen kann (also vor Fälligkeit der Gegenforderung des Finanzamtes), so ist die Aufrechnung gem. § 95 Abs. 1 S. 3 InsO ausgeschlossen.
Abwandlung Fallbeispiel:
Insolvenzeröffnung am 30.04.2011. Fälligkeit des Erstattungsanspruches für Einkommensteuer 2010 am 05.05.2011. Fälligkeit der Umsatzsteuerforderung des Finanzamtes am 10.05.2011.
In diesem Fall kann das Finanzamt nicht aufrechnen, da die Hauptforderung (=Erstattungsanspruch) bereits vor der Gegenforderung (=Umsatzsteuerforderung) fällig war. Die zum 10.05.2011 eingetretene Aufrechnungslage wird nicht geschützt.
Wird der Erstattungsanspruch des Schuldners erst nach Insolvenzeröffnung begründet, ist eine Aufrechnung durch das Finanzamt mit Insolvenzforderungen gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen.
Fallbeispiel:
Insolvenzeröffnung am 30.04.2011. Für Mai 2011 ergibt sich ein Umsatzsteuerguthaben i.H.v. 5.000 €. Das Finanzamt rechnet mit einer alten Einkommensteuerforderung für 2007 i.H.v. 3.000 € auf.
Die Aufrechnung ist unzulässig, da das Finanzamt die USt-Erstattung erst nach Insolvenzeröffnung zur Masse schuldig geworden ist.
Gibt der Insolvenzverwalter den Gewerbebetrieb des Schuldners gem. § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse frei, so gehören sowohl die Einkünfte daraus, als auch die damit verbundenen Steueransprüche zum insolvenzfreien Vermögen des Schuldners. Das Finanzamt kann Ansprüche gegen die Insolvenzmasse nicht mit Erstattungsansprüchen aus dem insolvenzfreien Vermögen aufrechnen, und umgekehrt. Die Vermögensmassen sind getrennt zu betrachten.
Soweit im Rahmen des freigegebenen Gewerbebetriebes Steuererstattungsansprüche entstehen, kann das Finanzamt dagegen mit Insolvenzforderungen aufrechnen. In vielen Fällen wird dadurch der “Restart” des Insolvenzschuldners erheblich erschwert. Soweit nämlich Vorsteuererstattungsansprüche entstehen, werden diese vom Finanzamt nicht ausbezahlt, sondern mit Altforderungen verrechnet. Dem Unternehmer fehlt dadurch die dringend benötigte Liquidität. Dies kann bereits das erneute Aus bedeuten. In diesen Fällen gilt es daher nach Lösungen zu suchen, wie die Aufrechnung vermieden werden kann.